Mittwoch, 28. März 2018

Kann Gras hören?




Natürlich kann Gras hören. An der obersten Spitze des Halms befindet sich das Grashalmohr. Es ist so klein, dass es von Menschen mit bloßem Auge nicht wahrzunehmen ist. Seit Jahrtausenden, seit Anbeginn der Zeit, hören die Grashalme in die Welt. Alles, was in sie dringt an Klängen und Geräuschen, leiten sie über besonders dafür eingerichtete, senkrechte Bahnen in ihrem Inneren nach unten in die Erde und verteilen es dort durch die Wurzeln bis in die feinsten Verästelungen. Türkisfarbene Amöben nehmen die feinen Schwingungen in sich auf, wandeln sie um in kleine Kristalle und bringen sie in riesige, unterirdische Depots. 
Immer zur Sommersonnenwende dehnen sich nachts die angehäuften Kristalle aus und steigen über Schleusen zu Mauselöchern empor an die Oberfläche. Als Wolken, so groß wie das Ausatmen der Ameisen im Winter, treibt sie der Wind in alle Richtungen. 

©Barbara Biegel 2018




Das Foto ist ein Filmstill aus meinem Stop-Motion-Film "Der Warner". In einer zaubrischen Welt ist vieles möglich....

Montag, 19. März 2018

Mein Weggehen ist wie Dampf




Mein Weggehen ist wie Dampf

Es erinnert mich an das Video im Museum, in dem nach einer unterirdischen Explosion dicke weiße Wolken aus dem Krater der Erde quellen, fortwährend und unaufhaltsam. Manchmal fühlen sich meine Schritte in das neue Leben so an. Und es geht mir gut dabei. Mein Weiß erobert sich neue Räume, steigt auf bis hoch in den Himmel und transportiert sogar Steine und Erdklumpen bis in andere Sphären. Unbrauchbares löst sich von Wesentlichem und die Dinge kommen in jenes Schweben, in dem sich alles gut und richtig anfühlt. Dann wieder schrumpft mein Plan zu einer kleinen grauen Säule aus Rauch, der Dampf verfärbt sich und verliert sein Leuchten, meine Energie wird blass und wankelmütig lässt sie sich vom Wind verwehen. Warum? Ich versuche die Ursache herauszufinden.  Wie kann ich mein Ziel, mein Wollen wieder sammeln, verdichten, mich ausbreiten? Dann nehme ich mir ein Beispiel an den Wolken. Lange betrachte ich die Gestalten, die sie hervorbringen. Und docke wieder an, an dem Eigentlichen, an meinem Wunsch nach Veränderung. Ich brauche nur eine Zeitlang die Nähe der Wolken zu suchen, dann beginnt es auch in mir wieder aufzusteigen. Weiß, dicht und kraftvoll. Meine Visionen formen sich neu und werden konkreter, ähnlich den Silhouetten der Vögel, die aus dem Dunst sich nähernd, sichtbar und unterscheidbar werden. Mein Weggehen ist wie Dampf, nie kalt, stets warm, mich einhüllend. Aus ihm trete ich hervor, aufrecht und betrete das neue Land.

Mein Weggehen ist wie Dampf. Manchmal nur heiße Luft. Nicht zum Begreifen. Ich habe nichts in der Hand, nur ein Sehnen, das sich immer wieder verflüchtigt. Hat mein Weggehen eine Berechtigung? Ist es nicht nur etwas Allzu leichtes, Veränderliches, Wankelmütiges? Das flüstern mir die Zweifel ein.