Dienstag, 4. April 2017

München








Oben auf der Aussichtsplattform von Sankt Peter halten sich meine Finger wie vor fast dreißig Jahren am Gitter des Umgangs fest. In der Ferne, am Rand der Ebene, ragen als Schattenriss die Berge auf. Seit über zwei Jahren verdunkeln sie mein Leben. Ich starre hin und fixiere die Gipfel und versuche, zu verstehen. Mein Blick wird abgelenkt von einer grünen Plastiktüte, die tief unter mir aus einem offenen Fenster geweht wird. Der Wind nimmt sie sacht mit, ganz sacht. Sie darf sich kurz im Schneegitter ausruhen, dann taumelt sie weiter, abwärts, an einer Balkontür vorbei, bis der Aufwind sie mitnimmt und hoch und höher schweben lässt. Zart und schön sieht das aus. Ich denke an W. Er fiel nicht. Er schwebte. Eine Träne rinnt  meine Wange hinab. Auch ihr fällt es schwer, sich zu lösen vom Rand meines Kinns – kurz vor dem Aufprall in der Tiefe fängt meine Hand sie auf.